Wilhelm Laage
* 16.05.1868 Stellingen, + 03.01.1930 Ulm
MUSEUMSPÄDAGOGIK

Städtisches Kunstmuseum Reutlingen
Kunst der Region — Bild des Monats, Februar 2002
Wilhelm Laage — Selbstbildnis 1927


Im repräsentativen Typus des Dreiviertel-Portraits, leicht aus der Mittelachse nach rechts gedreht, präsentiert sich der Künstler dem Betrachter. Bekleidet ist er mit dunk- lem, nicht beschmutztem Malerkittel, schwarzer Weste, weißem Hemd und lila Krawatte, die Goldkette seiner Taschenuhr blitzt hervor. Der Gesichtsausdruck des Künstlers wirkt durch die schmalen Lippen, den kurz geschnittenen Lippen- und Kinnbart ernst, sein Blick ist aus dem Bild, aber nicht direkt auf den Betrachter, sondern auf einen etwas erhöhten Punkt gerichtet. In seiner Rechten hält er die Malutensilien Palette und Pinsel, der linke Arm ist angeschnitten, so dass die Hand nicht sichtbar ist. Der Hintergrund des Bildes ist in neutralem Braun gehalten, lediglich ein schmaler lila Streifen ist am rechten Bildrand platziert.

Wilhelm Laage hinterließ nicht nur ein sehr umfangreiches druckgraphisches Werk, sondern auch ein abwechslungs- reiches malerisches Œuvre. Bestimmt waren die Themen seiner Gemälde von seiner direkten Umgebung: zuerst hat er die norddeutsche Heimat gemalt, dann ab 1907, dem Umzugsjahr nach Reutlingen, war es wieder die unmittel- bare Umgebung, Obstbäume im Garten, die Alb in vielen Varianten, die der Künstler festgehalten hatte. Dabei war das Licht als Mittel zur Steigerung des atmosphärischen Ausdrucks eingesetzt.

Erst ab 1910 ist zu den Landschaften das Sujet des Stilllebens dazugekommen und auch das Porträt spielte — von wenigen Ausnahmen abgesehen (Bildnis seines Sohnes und seiner Frau) bis dahin ebenfalls eine untergeordnete Rolle. Ab 1919 erhielt er mehrere Aufträge für Bildnisse. Dabei suchte er immer das Charakteristische zu erfassen, ohne dabei der Person zu nahe zu treten. 1916 ist das erste Selbstbildnis — eine Auftragsarbeit für Theodor Reinhart — entstanden, das vorliegende Bild von 1927 ist wohl sein letztes Selbstportrait. Nicht ohne Ironie kommentierte Laage die Fertigstellung seines ersten Selbstbildnisses in einem Brief an den Besteller: "Ich habe ihren Auftrag erledigt und mit Lust und Liebe mein Konterfei in die Welt gesetzt; mein Doppelgänger steht jetzt hier bei mir und erscheint sich wichtiger als das Original" (Zitat aus Ausstellungskatalog Wilhelm Laage, Gemälde, Reutlingen 1993, S. 8)

Lust und Liebe sprühen nun gerade nicht mehr aus dem Bild des 59-jährigen: eher verhalten und zurückgenommen präsentiert sich hier der Künstler. Die Vergegenwärtigung des Ichs erfolgt vielmehr fragend und zweifelnd, letztendlich bleibt es bei einer nur bedingten Öffnung nach innen. Laage bleibt jedoch mit dieser hieratischen Pose, dem strengen Ausdruck und der Darstellung seiner Handwerkzeuge in der Tradition der Künstlerselbstbildnisse und vermittelt eher eine Aussage über seinen Geltungsanspruch als über seine Psyche.
Evamarie Blattner
Mitarbeiterin des
Städtischen Kunstmuseums Reutlingen

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